Einstieg
Max Ernst umschrieb die »Steinbock« betitelte Figurengruppe als »seine Familie« und tatsächlich ist diese monumentale Arbeit eines seiner Hauptwerke. Der surrealistische Künstler greift hier auf das Tierkreiszeichen des Steinbocks zurück, das in der griechischen Mythologie als Zwitterwesen aus Ziege und Fisch beschrieben wird. Allerdings teilt er es in mehrere Figuren auf.
Die blockhafte Gestalt links, die ein Zepter und eine kleine Meerjungfrau in den Händen hält, besitzt Merkmale des Bocks. Die schlanke Frauengestalt rechts erinnert mit ihrer ausgestreckten Flosse hingegen an einen Fisch. Beide Figuren sind Mischwesen aus Mensch und Tier und mit feiner Ironie gestaltet.
Ernst schuf die Plastik 1948 zunächst in Zement für den Garten seines Hauses in Sedona (Arizona). Später wurden Bronzegüsse angefertigt. Als einer der innovativsten Collage-Künstler des 20. Jahrhunderts nahm er dabei zahlreiche gefundene Objekte durch Abformungen in sein Werk auf. Dem Zepter etwa liegen Milchflaschen zugrunde und der Spitze des Zepters eine Eierverpackung. Als Großplastik zieht der »Steinbock« die Summe seines künstlerischen Schaffens und stellt einen Höhepunkt seiner Arbeiten im US-amerikanischen Exil dar.
Hintergrund
Als „my family“ umschrieb Max Ernst einmal selbst seine monumentale Figurengruppe »Capricorne«, übersetzt Steinbock. Die Entstehungsgeschichte dieses plastischen Hauptwerks des Surrealisten, der seit 1941 im amerikanischen Exil lebte, reicht bis 1948 zurück. Zu dieser Zeit war der Künstler mit seiner Frau, der Malerin Dorothea Tanning (1910–2012), gerade von New York in die Abgeschiedenheit von Sedona im Wüstenstaat Arizona gezogen. Für den Garten ihres Hauses schuf Ernst mit Bimsstein, Beton, wiederverwendetem Metallschrott und Abformungen von Alltagsgegenständen die erste Fassung von Capricorne.
Nach einem leicht veränderten Gipsabguss dieses Urbildes, das über das Anwesen des Ehepaars wachte, entstanden ab 1964 insgesamt zwölf Bronzegüsse, darunter 1979 auch das für die Kunsthalle Mannheim bestimmte Ensemble. Dessen zentrale Position nimmt Capricorne ein. Die griechische Mythologie beschreibt ihn als Zwitter aus Steinbock und Fisch, den Zeus als Tierkreiszeichen ans Firmament setzte. Mit seiner Rechten eine Art Zepter fest umschließend, thront das bei Ernst aus menschlichem Unterleib und gehörntem Tierkopf bestehende Mischwesen gleich einem urzeitlichen Stammesfürsten.
Wie die blockhafte Gestalt des archaischen Herrschers sind auch die beiden Kreaturen, die sich um seinen linken Unterarm gruppieren, surreale Kombinationen von Mensch- und Tiernatur. In der Zusammenstellung ihres Körpers entspricht die in der Handfläche des Steinbocks sitzende kleine Meerjungfrau dabei weitgehend der zweiten Hauptfigur der Plastik. Auch diese Sitzende hat ihren wie eine Geige geformten Oberkörper entblößt und besitzt anstelle von Beinen eine Fischflosse. Zwei runde Scheiben bilden den auf einem überlangen Hals ruhenden Kopf der Frauengestalt mit äußerst summarisch wiedergegebenen Gesichtszügen.
Unmittelbar hinter dem Haupt der Sitzenden befindet sich ebenso chiffrenhaft ein Fisch. Nicht nur in diesem Motiv des Wassertieres, das wie selbstverständlich durch ein ihm feindliches Element zu schwimmen scheint, spielte Ernst humorvoll mit der vorgegebenen Überlieferung und den Gesetzen der Natur. Aufeinander gestapelte Abformungen von Milchflaschen und einer Eierschachtel bilden etwa Capricornes Zepter. Aus dem würdevollen Hoheitszeichen machte der Künstler so ein Machtsymbol ganz eigener Art, das – wie die Plastik im Ganzen – nicht zuletzt auch Ernsts Faszination für die Kultur der amerikanischen Ureinwohner widerspiegelt.
Wenn die Figurengruppe auch weiten Raum für Spekulationen bietet, an der Aussage des Künstlers kommt man letztlich nicht vorbei: die eigene Familie – Ernst selbst, Dorothea Tanning und die beiden Hunde des Paares – und ihre gemeinsame Zeit unter der südlichen Sonne Arizonas scheinen in der Skulptur-Collage mit Witz und Ironie verdichtet zu sein.
Einstieg
Max Ernst described the group of figures entitled »Capricorn« as “his family” and this monumental sculpture is in fact one of his major works. Here, the Surrealist artist draws on the sign of the zodiac Capricorn, which in Greek mythology was described as a cross between a goat and a fish. Here, however, Ernst divided it into a number of elements.
The block-like figure to the left, holding a scepter and mermaid in his hands, has goat-like features. In contrast, the slender female figure on the right, with her outstretched fin, is reminiscent of a fish. Both figures are chimera, part human and part animal, and are composed with a fine sense of irony.
Ernst produced the sculpture in 1948, initially in cement for the garden of his house in Sedona (Arizona), later in the form of bronze casts. As one of the most innovative collage artists of the 20th century, he incorporated casts of numerous found objects into his sculpture. The scepter, for example, is based on milk bottles, while its tip is a cast of an eggbox. As a major sculptural work, »Capricorn« embodies the sum of his artistic creation and represents a high point of his work in American exile.
Hintergrund
Max Ernst once described his monumental group of figures with the French title »Capricorne« as “my family”. The story of the creation of this major sculptural work by the Surrealist artist, who lived from 1941 onwards in exile in America, goes back to 1948. At this point, the artist and his wife, the painter Dorothea Tanning (1910–2012), had just moved from New York to the solitude of Sedona in the desert state of Arizona. Ernst created the first version of Capricorne for the garden of their house using pumice stone, concrete, recycled scrap metal and casts of everyday objects.
Beginning in 1964, a total of twelve bronze casts were made from a slightly altered plaster cast of this original object, which stood sentinel over the couple’s home, including the ensemble intended for the Kunsthalle Mannheim, which was cast in 1979. The central position is occupied by Capricornus. In Greek mythology, he is described as a hybrid creature, part goat and part fish, which Zeus set in the starry firmament as one of the signs of the zodiac. Firmly holding a sceptre of sorts in his right hand, Ernst’s hybrid creature consists of a human abdomen with a horned animal’s head and resembles an ancient tribal ruler.
Like the blocky figure of the archaic ruler, the two creatures grouped around his left lower arm are also surreal combinations of human and animal. In the composition of her body, the little mermaid sitting in the palm of the hand of Capricornus corresponds largely to the second main figure of the sculpture. This seated creature has exposed her upper body, which is shaped like a violin, and possesses a fish tail instead of legs. Two round discs resting on an elongated neck form the head of the female figure with only sketchily executed facial features.
Immediately behind the head of the seated figure is an equally cryptic depiction of a fish. Ernst played humorously with the traditional story and the laws of nature, not only in this motif of the aquatic creature, which seems to be swimming quite naturally through this, for a creature of the sea, hostile element. Stacked casts of milk bottles and an egg box, for example, form Capricornus’ sceptre. The artist thus makes of the dignified symbol of supremacy a symbol of power of a very different kind, which – like the sculpture as whole – also reflects Ernst’s fascination with the culture of the Native Americans.
Although the group of figures offers plenty of room for speculation, ultimately there is no escaping the statement made by the artist himself: his own family – Ernst himself, Dorothea Tanning and the couple’s two dogs – and the time they spent together under the southern sun of Arizona seem here to be condensed with wit and irony into the sculptural collage.
Leihgabe des Landes Baden-Württemberg seit 1980
Transkription
Wie ein königliches Herrscherpaar sitzen die beiden Figuren auf dem niedrigen Podest. Die Königin schlank und hoch aufragend mit Fischschwanz und Hut, ihr Körper gleicht der Form eines Streichinstruments. Der König hingegen massiv und unerschütterlich, wie ein Stier gehörnt, das Zepter in der einen, eine dritte Figur in der anderen Hand. Nachdem Max Ernst 1941 vor den Schrecken der Naziherrschaft in die USA geflohen war, baut er ein Haus in den Bergen Arizonas. Ungefähr zeitgleich entsteht die Plastik, die Sie vor sich sehen. Seine vierte Ehefrau, die amerikanische Künstlerin Dorothea Tanning, nennt sie die "fürstlichen Wächter über das Haus" . Tanning war es auch, die den letztendlichen Namen auswählt: "Capricorne" ist die englische Übersetzung für das Sternzeichen Steinbock. In der griechischen Mythologie als Zwitterwesen aus Ziegenbock und Fisch beschrieben, spaltet Max Ernst seine Bronzeplastik wieder auf zwei Hauptfiguren auf , wie Sie am gehörnten Haupt des Königs und dem Fischschwanz der Königin erkennen können. In der griechischen Legende wurde Capricorne von Aigipan, dem ziegengestaltigen Pan und der Nymphe Aix gezeugt. Nun liegt es nahe zu denken, das Herrscherpaar vor Ihnen seien eben jene Aix und Aigipan. Doch als man den Künstler Max Ernst selbst fragte, antwortete er: "Das - ist ein Abbild meiner Familie." Dieses Abbild setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die Ernst zunächst in Zement abformte. Achten Sie einmal auf die Spitze des Zepters: Sie ähnelt auf verblüffende Weise einem Eierkarton, finden Sie nicht? Ab 1964 entstanden 12 Bronzeabgüsse der Figurengruppe, darunter 1979 der Guss der Kunsthalle.