
Welche Geschichten werden über Schwarze Menschen erzählt, welche erzählen sie selbst, welche werden übergangen, missachtet, verschwiegen?
In SWR KULTUR Gespräch erzählen Schwarze deutsche Frauen ihre eigene Geschichte, immer auch als Künstlerin. Und thematisieren damit zugleich, was im öffentlichen Diskurs zu wenig Raum einnimmt – passend zur „Encyclopedia of Invisibility“ von Tavares Strachan.
Tänzerin, Choreografin, Ballroom-Star
Im Gespräch mit Dietrich Brants
Mit dem „House of Saint Laurent“ prägte Sophie Yukiko die deutsche Voguing- und Ballroom-Szene, ursprünglich eine queere Schwarze Subkultur in New York, heute auch eine wichtige Inspiration für Mode und Mainstream, von Dior bis Beyoncé. Als Choreografin beschäftigt sie sich mit exzessivem Tanz als spiritueller Praxis und dem Erbe westafrikanischer Schwarzer Kulturen in Techno und Rave. Auch ihr Tanzfilm „Indigo“ erinnert an solche fast vergessenen transatlantischen Verbindungen. Dabei setzt sie „Erbwissen versus Erbtrauma“. Als Performerin tanzt sie im Schlagerballett „Ich nehm dir alles weg“.
Künstlerin
Im Gespräch mit Dietrich Brants
„Grundsätzlich geht’s in meinen Arbeiten um die Identifikationsfrage einer Schwarzen Frau in einer weißen Mehrheitsgesellschaft“. Joséphine Sagnas Gemälde Schwarzer Frauen sind pures Empowerment. Und ein gesellschaftspolitisches Statement. Groß, laut, leuchtend, farbig, expressiv, emotional. Sie heißen „teach optimism“, „smash it“, „all eyes on me” oder „on my terms“: „Ich bin keine Künstlerin, die vorsichtig arbeitet“. Joséphine Sagna, geboren 1989 in Stuttgart als Tochter einer Siebenbürger Sächsin und eines Senegalesen, wuchs in Ulm auf. Sie lebt und arbeitet in Südfrankreich.
Schauspielerin
Im Gespräch mit Marie-Christine Werner
„Sich nicht erklären zu müssen, ist das größte Privileg“ – sagt die afrodeutsche Schauspielerin Lara-Sophie Milagro. Sie wuchs in Bremen auf, war in den 1980er Jahren die einzige PoC an ihrer Schule und bekam trotz bester Noten eine Realschulempfehlung. Nach dem Schauspielstudium in London erhielt sie lauter stereotype Rollen. Lady Macbeth? Als Schwarze könne sie so was nicht spielen. Rassismus im Kulturbetrieb ist für sie ein strukturelles Problem: „Die Struktur ist sexistisch und rassistisch und sorgt dafür, dass sich das System am Leben erhält. Außer man tut aktiv etwas dagegen.“
Trickfilm-Autorin und Malerin
Im Gespräch mit Andreas Langen
Ebele Okoye hat einen weiten Weg gemacht: 1969 mitten im Bürgerkrieg Nigerias in großer Armut geboren, gelang ihr 2000 die legale Einwanderung nach Deutschland. Ab 2003 studierte sie in Köln ihr Wunschfach Trickfilm- und Animationszeichnerin. Heute nennt man sie „Mother of African Animation Movie“: die erste Trickfilmerin aus einem afrikanischen Land. Bekannt auch für ihre Social-Media-Videos. Seit Jahren engagiert sie sich in der Frauen- und Nachwuchs-Förderung, in Berlin wie in Lagos. Ein Gespräch über kindliche Einsamkeit im Dschungeldorf, zerlegte Radios und die Kraft der Fantasie.
Künstler-Duo
Im Gespräch mit Marie-Dominique Wetzel
Mwangi Hutter ist ein Künstler-Duo mit einer Persönlichkeit: „die Geschichte zweier Individuen, die zu einem Künstler verschmelzen“. So stellt sich das Paar auf seiner Website vor. In ihrer Kunst zeigen Mwangi Hutter, wie konventionelle Vorstellungen von Identität und Geschlecht, sozialer und kultureller Herkunft überwunden werden können. Geboren in Nairobi und in Ludwigshafen am Rhein, haben sich die beiden während des Studiums in Saarbrücken kennengelernt. Ihre Arbeiten wurden bei der documenta, bei der Biennale von Venedig, im Brooklyn Museum New York und im Centre Pompidou Paris gezeigt.
Autorin und RosaMag-Gründerin
Im Gespräch mit Kristine Harthauer
„Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher“. Der Titel sagt alles über strukturelle Armut und fehlende Möglichkeiten sozialen Aufstiegs in Deutschland. Oder einfach über „die Lüge von der Chancengleichheit“. Davon handelt das aktuelle Buch von Ciani-Sophia Hoeder. Sie war 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal zur Berliner Tafel ging und sich dafür schämte, dass die Familie arm war – weil Armut immer noch als persönliches Versagen gilt. Nach dem Studium in London arbeitete die Journalistin für die WELT. 2019 gründete sie RosaMag, ein Online-Magazin für Schwarze Frauen in Deutschland.
Die Hörbar Schwarz.Weiblich ist eine Kooperation mit SWR KULTUR und erscheint im Rahmen der Ausstellung TAVARES STRACHAN. SUPERNOVAS. vom 11.04. - 24.08.25 in der Kunsthalle Mannheim.
©Tavares Strachan, A Map of the Crown (Jimma Ethiopia), 2023
Foto: © Heiko Daniels, Kunsthalle Mannheim 2025