Ein Beitrag von Dr. Inge Herold
Ab 18. November 2022 steht das Ausstellungsgeschehen in der Kunsthalle ganz unter dem Motto „Becoming CoBrA. Anfänge einer europäischen Kunstbewegung“. Der Name der Künstler*innengruppe, die von 1948 bis 1951 existierte, setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Städte Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam zusammen, aus denen die Gründungsmitglieder stammten.
Paris fungierte in den 1940er-Jahren noch als Zentrum der Avantgarde, mit CoBrA kamen weitere Zentren – auch im skandinavischen Raum – hinzu. CoBrA begegnete den Folgen des Krieges mit einer Kunst, die den spontanen, freien Ausdruck zelebrierte und eine kulturelle Erneuerung propagierte. Mit der Ausstellung „Becoming CoBrA“ nimmt die Kunsthalle Mannheim erstmals die bis in die 1930er-Jahre zurückreichenden Ursprünge einer der einflussreichsten internationalen Avantgarde-Gruppen des 20. Jahrhunderts in den Blick.
Bereits jetzt wurde ein Sammlungs-Kubus neu eingerichtet, der einen Einblick in die Kunstszene der 1950er-Jahre gibt, die Zeit, in der auch CoBrA aktiv war. Das Netzwerk der Künstler*innen war einer der frühesten Zusammenschlüsse während und nach dem Krieg. In Deutschland setzte die Entwicklung einer sich frei entwickelnden Kunst nach der Diktatur der Nationalsozialisten mit Verzögerung ein. Doch auch hier suchte man den Austausch mit anderen. Am Anfang standen Künstlervereinigungen wie die 1952 in Frankfurt gegründete Gruppe Quadriga mit Bernard Schultze, K.O. Götz, Otto Greis und Heinz Kreutz oder in Düsseldorf die Gruppe 53 mit Gerhard Hoehme, Peter Brüning und Karl Fred Dahmen. In München hatte sich ein weiterer Schwerpunkt um die Gruppe Zen gebildet, zu der Willi Baumeister, Rolf Cavael, Ernst Wilhelm Nay, Emil Schumacher, Hann Trier, Theodor Werner und Fritz Winter gehörten. Eine der ersten deutschen Museumsausstellungen, die die neue abstrakte Kunst präsentierte, fand 1957/58 unter dem Titel „Eine neue Richtung in der Malerei“ in der Kunsthalle Mannheim statt. Daraus entwickelte sich dann auch ein Sammlungsschwerpunkt, während die Vertreter*innen von CoBrA bis auf ein Werk von Corneille unberücksichtigt blieben.
Als neue avantgardistische Kunst setzten sich, von CoBrA bereits vorbereitet, weltweit abstrakte Tendenzen durch, die eines ihrer Zentren in Paris hatten. Dort fand der Kritiker Michel Tapié 1951 anlässlich einer Ausstellung mit Werken von Wols, Hans Hartung, Georges Mathieu und Jackson Pollock den Begriff Informel, der von da an als Bezeichnung für eine Kunst galt, die sich in Abgrenzung zur geometrischen Abstraktion auf formlose Bildstrukturen berief. Formlosigkeit und Spontaneität prägten diese Kunst, während neben reiner Farbe auch andere bildnerische Materialien wie Gips, Sand oder Zement eingesetzt wurden. In der Überzeugung, dass die formalen Mittel der gegenständlichen Kunst nicht mehr geeignet seien, die Schrecken der Vergangenheit und Fragestellungen der Gegenwart glaubwürdig darzustellen, gaben die Künstler*innen ihre Sicht der Welt in einer gestisch dynamischen, skripturalen oder materialbetonten Ausdrucks- und Zeichensprache wieder. Die Abstraktion wurde im Gegensatz zum Diktat des sozialistischen Realismus als international verbindliche Sprache einer freiheitlich demokratischen Welt verstanden, die in Einklang stand mit den neu gewonnenen Erkenntnissen in Naturwissenschaft und Technik.
Die eruptiven expressiven Farbstürme der Informellen begannen sich jedoch schon Ende der 1950er-Jahre zu erschöpfen. So setzte nicht nur in Deutschland eine künstlerische Entwicklung ein, die mit den Begriffen meditative oder monochrome Malerei bezeichnet wurde und als Abkehr vom Informel zu verstehen war. Im Gegensatz dazu ist diese Kunst durch die formale und koloristische Reduktion auf große Farbfelder sowie Verzicht auf heftigen Pinselduktus zugunsten feiner Nuancierungen und serieller Strukturen gekennzeichnet. In Deutschland wandten sich Rupprecht Geiger, Raimer Jochims, Georg Meistermann und Raimund Girke einer monochromen bzw. farblich reduzierten Malerei zu. Beispiele hierfür finden Sie im neu kuratierten Kubus 0 im Neubau der Kunsthalle.
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Zuletzt konnten Besucherinnen und Besucher der Kunsthalle Mannheim die Graphikausstellung „Monika Grzymala & Katharina Hinsberg. Zwischen einer Linie“ bewundern.