Kunst, kinderleicht…

Ein Beitrag von Dr. Dorothee Höfert

Jeden Tag ist die Kunsthalle das Ziel ganz unterschiedlicher Personen: Familien, Reisende, Berufstätige und Senior*innen, Fachleute und Laien, Kinder und Jugendliche, Kunstbegeisterte und Kunstskeptiker*innen. Besonders erfreulich ist aber, dass täglich auch Kindergartengruppen und Schulklassen mit ihren Erzieher*innen und Lehrkräften vorbei kommen. Für Kinder und Jugendliche gibt es attraktive Angebote zu unterschiedlichen Kunstthemen, die von den Verantwortlichen in den Bildungseinrichtungen gern gebucht werden.

Einer der Gründe dafür: Ein Besuch in Mannheims Kunstmuseum verspricht Abwechslung, neue Erfahrungen und dazu ein besonderes Vergnügen immer dann, wenn die Heranwachsenden im Anschluss an eine Bildbetrachtung in einem der Ateliers der Kunsthalle mit Pinsel und Farbe selbst ausprobieren können, was sie gerade gesehen haben. Und natürlich kann man bei einem Besuch in der Kunsthalle auch etwas lernen: Über die Entstehung von Kunst, über Stile und Epochen, über die Motivation von Künstlerinnen und Künstlern, einen eher ungewöhnlichen Lebensweg einzuschlagen, über den Ort „Museum“, der in einer Stadt wie Mannheim auch im Bereich der kulturellen Bildung eine besondere Rolle spielt. Und gerade die jüngsten Gäste, die Kindergartenkinder, sind in der Kunsthalle Mannheim immer gern willkommen, denn Kinder im Vorschulalter haben meist noch einen spontanen Zugang zur Kunst und nähern sich den bedeutenden Meisterwerken ganz ungezwungen. Wie fühlen sie sich in der Kunsthalle, was spricht sie an?

Mit großer Freude lässt sich beobachten, wie sich Gruppen aus Kindertagesstätten und Horten verhalten, wenn sie zum ersten Mal einen Ausflug in die Kunsthalle machen, das große Atrium betreten und rasch die hoch oben schwingende Uhren-Installation von Alicja Kwade entdecken. Die Fragen der Kinder sprudeln nur so aus ihnen heraus und man merkt sofort, dass ihre Neugierde ein guter Anfang für die anstehende Begegnung mit der Kunst ist.

So sitzt eine kleine Gruppe aus einem Mannheimer Kindergarten auf dem Boden vor einem großen Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner, das den Titel „Bergbach“ trägt. Die Kinder heißen Özlem, Lisa, Giuseppe, Tao, Darja, Anton und Hatice. Eine engagierte junge Kunstvermittlerin begleitet die Kinder auf ihrem Spaziergang durch das Museum und hat einige Überraschungen für sie vorbereitet. Die Jungen und Mädchen wollen wissen, warum der Maler das Bild – eine Schweizer Berglandschaft bei Davos – gemalt hat und ob er Skilaufen geht und ob Pink seine Lieblingsfarbe ist? Die Kinder sprechen lebhaft und laut und suchen dabei nach passenden Worten. Während Özlem, Lisa und die anderen gemeinsam mit ihrer Begleitung über das Bild und den Maler Vermutungen anstellen und meist aufmerksam zuhören, wenn die Kunstvermittlerin etwas erklärt, lernen sie ganz nebenbei und spielerisch auch neue Worte für leuchtende Farben kennen. Dabei schnuppern die Kinder nacheinander vorsichtig an den geöffneten Farbtuben, die die Kunstvermittlerin mitgebracht hat und freuen sich über den besonderen Geruch von Ölfarben. Plötzlich hält die Kunstvermittlerin zwei Papierpuppen hoch und stellt den Kindern „Frau Gelb“ und „Herrn Blau“ vor. Die beiden Figuren sind oft mit von der Partie, wenn es in den Vorschulgruppen um die Farben in den Kunstwerken geht. „Blau“ – das Wort kennen die Kinder schon längst. Aber es gibt ja verschiedene Blautöne, die alle im Kirchner-Gemälde zu finden sind: Himmelblau, Veilchenblau, oder „Ultramarin“. „Das ist ein schweres Wort!“, sagt die Kindergärtnerin anerkennend, als Özlem mutig den Begriff laut nachspricht und die anderen Kinder in die Hände klatschen. Nun schaut die Gruppe noch auf einen großen Farbkreis, der auf Karton aufgezogen ist und die Grundfarben – Rot, Blau, Gelb – sowie die Mischungen aus diesen Farben zeigt. Mit diesen Farbtönen hat auch Ernst Ludwig Kirchner sein Bild gestaltet. Und wie kommen die Farben aus den Tuben auf die Leinwand? Mit Pinseln natürlich, das wissen die Kinder ganz genau. Aber welche Pinselsorten hat Kirchner benutzt? Einen Pinsel aus Dachshaaren? Und einen anderen aus ganz feinen Marder-Haaren? Die Weichheit oder die Kratzigkeit der trockenen Pinsel wird ausprobiert, indem sich die Kinder gegenseitig mit den ebenfalls ausgeteilten Pinseln berühren und laut lachen, wenn es dabei ein bisschen auf der Haut kitzelt. Und dann wird es auch schon Zeit, ins Atelier zu wechseln und endlich alle Pinsel und Farben selbst auszuprobieren. Die Gruppe läuft dazu einmal quer durch die große James-Turrell-Lichtinstallation, in der die Farben ganz langsam, fast unmerklich wechseln und dabei geheimnisvoll aufleuchten. Die Ateliers liegen im ersten Obergeschoss des Neubaus und haben eine große Fensterseite zum Friedrichsplatz, auf dem gerade die Bäume in bunten Herbstfarben zu sehen sind. Die Kinder werden gleich ihre Bilder in Himmelblau, Veilchenblau, Ultramarin und allen anderen Farben des Regenbogens malen und als Erinnerung an ihren ersten kinderleichten Besuch in der Kunsthalle mit nach Hause nehmen.

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