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Beckmann. Christus und die Sünderin

Neue Sachlichkeit - 902

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Sprecher:

Hartlaub hielt Beckmann für den größten lebenden Maler und richtete ihm 1928 seine erste museale Einzelausstellung aus. In der Ausstellung zur Neuen Sachlichkeit 1925 war er aber bereits mit 14 Gemälden äußerst repräsentativ vertreten. Seine Zugehörigkeit zur Neuen Sachlichkeit blieb jedoch umstritten. 

Sprecherin:

Die Kunsthalle Mannheim hatte bereits 1914 mit dem Künstler über eine Erwerbung verhandelt. Erste Ankäufe mit „Christus und die Sünderin“ und „Bildnis Frau Tube“ gelangen aber erst 1919 - nach dem Ende des ersten Weltkriegs. In einem Brief vom 23.9.1918, in dem er seinen Vorgesetzten Fritz Wichert vom Kauf von Beckmann-Bildern zu überzeugen suchte, zog Hartlaub die hochrangigsten Vergleiche: 

Sprecher:

„Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass ich von den letzten grossen Arbeiten Beckmanns den reinsten und höchsten Eindruck empfangen habe, den mir neue Kunst seit Jahren gegeben hat. Hier ist Ausdruck in höchster Potenz und dabei doch die volle Rundheit einer lebendigen Natur. Vergeistigung wie noch nie, und doch Natur, so fest und stark und rassig, wie bei Signorelli, Dürer, Michelangelo.“ 

Sprecherin:

„Christus und die Sünderin“ zeigt die für Beckmanns Frühwerk typische, expressiv übersteigerte Formensprache und ist in einer fahlen reduzierten Farbigkeit gehalten. Jesus – mit den Gesichtszügen Beckmanns – hält einen wütenden Mob davon ab, eine Frau zu steinigen, die vor ihm kniet. Anklagend-bezichtigende, gewaltbereite, verteidigende und schützend-aufnehmende Hände verdeutlichen gestisch die dramatische Szene aus dem Johannesevangelium. Mit den bekannten Worten „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein“ wird der Konflikt gewaltfrei gelöst. Der Aspekt der Gewaltlosigkeit ist auch Ausdruck der Kriegserfahrung des Künstlers. Er hatte sich zunächst freiwillig als Sanitäter gemeldet, doch die Erlebnisse traumatisierten ihn derartig, dass er nach einem Zusammenbruch 1915 aus dem Dienst entlassen wurde. Das Gemälde entstand 1917 noch während des Krieges als eines der ersten nach seiner Entlassung.

Sprecher:

1933 wurde Beckmanns Lehrauftrag an der Städelschule in Frankfurt aufgehoben, vier Jahre später wurden zahlreiche seiner Werke in deutschen Museen als „entartet“ beschlagnahmt. Im selben Jahr, 1937, verließen der Künstler und seine Frau Deutschland um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Das Gemälde „Christus und die Sünderin“ wurde vermutlich noch 1938 an eine Galerie in New York verkauft und 1955 schließlich dem Saint Louis Art Museum vermacht.

Hector-Bau > Ebene 0 > Ausstellung Raum 1

Max Beckmann (1884 - 1950)
Christus und die Sünderin
1917
Öl auf textilem Bildträger
150 x 128 cm
Saint Louis Art Museum, Nachlass Curt Valentin 

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