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George Grosz. Grauer Tag

Neue Sachlichkeit - 903

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Sprecherin:

Neben Beckmann war George Grosz eine weitere zentrale Figur der Mannheimer Ausstellung. Sieben zwischen 1916 und 1925 entstandene Gemälde wurden damals präsentiert. Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges und der frühen Weimarer Zeit hatte sich Grosz zunehmend politisiert. Nachdem er 1920 die Erste Internationale Dada-Messe in Berlin mitorganisiert hatte, suchte er nach neuen, sachlichen Ausdrucksformen. Es setzte eine kurze Phase ein, in der er sich an der Pittura metafisca, der metaphysischen Malerei, von Carlo Carra und Giorgio de Chirico orientierte. Vor kubischen Architekturen agierten jetzt Figuren, die an die Gliederpuppen der Italiener erinnerten. 

Sprecher:

In dem 1921 entstandenen Bild „Grauer Tag“ oder „Magistratsbeamter für Kriegsbeschädigtenfürsorge“, vollzieht sich der Übergang von der mechanisch-konstruktiven Periode in Grosz’ Werk zum kritischen Verismus. Mit scharfer sozialer Kritik und zugespitzen Typisierungen leuchtet Grosz die Schattenseiten der Gesellschaft aus und analysiert die Ursachen der Misere.

Spercherin:

Dargestellt ist hier die Konfrontation zwischen einem Kriegsveteranen und einem engstirnigen Beamten, der sich nicht um das Schicksal des Versehrten kümmert. Beide sind durch eine Mauer räumlich sowie emotional und sozial voneinander getrennt. Während der Beamte als Karikatur gezeichnet ist und der Veteran individuelle Züge trägt, bleibt der Arbeiter im Hintergrund gesichtslos, lediglich eine Marionette vor der Szenerie der Industrieanlage. Die vierte Gestalt, die sich verstohlen an eine Hauswand drückt, steht wiederum für die zwielichtigen Schwarzmarkthändler, die sich schamlos bereicherten. 

Sprecher:

Der Titel spielt auf die düster depressive Stimmung des Jahres 1921 an. Schätzungen sprechen von 80.000 Soldaten, die im grauenvollen Krieg ihre Arme oder Beine verloren hatten. Um Almosen bettelnd bestimmten sie vielerorts das Bild der Städte. Bald nach der Entstehung dieses Bildes gab Grosz die Ölmalerei zugunsten seiner Arbeit an Buchillustrationen auf, mit der er noch direkter und mit größerer Reichweite seine Gesellschaftskritik äußern konnte.

George Grosz (1893 - 1959)
Grauer Tag
1921
Öl, Leinwand
115 x 80 cm
© Estate of George Grosz, Princeton, N.J./ VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, 1954 erworben durch das Land Berlin
Fotocredit: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

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