Transkription
Sprecherin:
Der technische Fortschritt in der großstädtischen Infrastruktur, einschließlich des öffentlichen Verkehrswesens, der Elektrifizierung der Straßenbeleuchtung, der Orte des Konsums und des Vergnügens, der Mietskasernen und Plätze, fanden häufig Eingang in die neusachliche Malerei. Auch die Randbezirke, wo das Urbane in die Peripherie übergeht, wurden oft thematisiert. Die Präsenz der Technik, aber auch die neuen Möglichkeiten der Mobilität wurden ebenfalls häufig visualisiert. Beliebte Motive waren Bahnübergänge, Unterführungen, Telefonmasten, Leitungen, Brücken, oft extrem steil fluchtend oder aber Barrieren bildend – Sujets, die die Faszination am Konstruktiven und an der Dynamik belegen und entsprechende Darstellungsformen ermöglichen.
Sprecher:
Die Moderne manifestierte sich besonders in den Massenverkehrsmitteln wie Eisenbahn und U-Bahn – die erste U-Bahn Deutschlands wurde 1902 in Berlin auf der Strecke Potsdamer Platz zum Stralauer Tor in Betrieb genommen. Die dem Zug als Fortbewegungsmittel innewohnende Dynamik, wie sie auch der Beginn von Walter Ruttmanns berühmtem Film „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ auszeichnet, faszinierte die Zeitgenossen und -genossinnen.
Sprecherin:
Max Radlers Gemälde „Station SD/2“ von 1933 erinnert ebenfalls an Ruttmanns Film, zeigt jedoch eine irritierende Umdeutung. Eine Lokomotive steht an einem Bahnsteig, der bis auf eine einzelne Gestalt menschenleer ist. Wie so oft in neusachlichen Gemälden steht die Dynamik der strengen Komposition, bestimmt durch in der Ferne fluchtende Diagonalen, in starkem Widerspruch zum melancholischen Gesamteindruck.
Sprecher:
In unserer HörBar Neue Sachlichkeit können Sie das Stück „Weekend“ von Walter Ruttmann hören. Es ist das erste nur mit Geräuschen und O-Tönen erzählte Hörspiel von 1929. Ruttmann bezeichnete die humorvolle Hommage an den Berliner Alltag als „photographische Hörkunst“. Ebenso hören Sie dort einen der Schlüsseltexte der Neuen Sachlichkeit. Das Gleisdreieck von Joseph Roth.
Max Radler (1904–1971)
Station SD/2
1930
Öl auf Holz / Oil on wood
65 x 85 cm
Städtische Galerie im Lenbachhaus und
Galerie Berinson, Berlin
Foto: Friedhelm Hoffmann, Berlin
© Nachlass Max Radler