Transkription
Sprecher (Zitat):
„Für die heutigen Maler bedeutet das Stilleben vor allem strengste Verpflichtung zur Form bei fast radikalem, durch das Objekt bedingten Ausschluß des Ausdrucks. Es ist der zwangläufige Gegenschlag gegen den Expressionismus […] Mag sein, daß das heutige Stilleben poesielos ist; besser aber als alle in unserer unpoetischen Zeit verdächtige Poesie ist die neue Eigenschaft des Stillebens: seine Sachlichkeit“,
Sprecherin:
so konstatierte Karl Heinz Ruppel in seinem 1925 erschienenen Artikel „Die Auferstehung des Stillebens“. Er benannte damit ein Phänomen, das die Malerei der Neuen Sachlichkeit dominieren sollte, denn das Stillleben wurde neben dem Bild des Menschen zu deren Hauptgenre. Höchste Präzision, Detailtreue, Verdeutlichung konstruktiver Elemente und Isolierung der einzelnen Gegenstände sollten die formalen Kennzeichen dieser Kunstbewegung werden.
Sprecher:
Die Malerei stand dabei in Konkurrenz, aber auch im Austausch mit der Fotografie. So verwandt die Motive und Perspektiven auch teilweise waren, hatten die Malerinnen und Maler so viel mehr Möglichkeiten im Hinblick auf räumliche Wirkung, Licht- und Oberflächengestaltung. In den Blick genommen wurden Gebrauchsgegenstände, technische Geräte, Gefäße, Pflanzen, auch Tiere. Daneben entstanden Spielzeug-, Puppen- und Masken- sowie Atelierstillleben.
Sprecherin:
Ein melancholisches Grundgefühl, das als Epochenstimmung definiert werden kann wurde von der Kühle und Präzision der Darstellung getragen, aber ebenso von der Ärmlichkeit der gewählten Objekte. Ungewohnte Perspektiven oder irritierende Größenverhältnisse erzählten von einer latenten Unsicherheit, die in Kontrast zur Statik des meist linear geprägten Aufbaus stand.
Sprecher:
Als Meister des neusachlichen Stilllebens kann Alexander Kanoldt gelten. Mit acht Werken dieser Motivgruppe war er schon 1925 in der historischen Ausstellung der Kunsthalle Mannheim vertreten. In dem 1920 entstandenen „Stillleben XI“ stellt er einen Ausschnitt seines übervollen Arbeitstischs mit Pinseln, Gefäßen, Feder, Tinte, Papieren dar. Während er hier mit einer Höhen- und Tiefenstaffelung arbeitet, entwickelt sich das fünf Jahre später entstandene Stilleben IV, das 1925 in Mannheim zu sehen war, in die Breite, nicht aber in die Tiefe. Auf engstem Raum sind die Dinge hintereinandergestellt.
Alexander Kanoldt (1881–1939)
Stilleben IV / Still Life IV
1925
Öl auf Holz / Oil on wood
53 × 64 cm
Kunsthalle Mannheim
Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas