Strachan 803

Sprecherin:

Eine Fortsetzung der Arbeit an der Idee des Enzyklopädischen findet sich in der Serie der Invisibility Paintings. An Lexika erinnernde Bildelemente werden in diesen Materialbildern rekombiniert, überlagert, malerisch bearbeitet und dadurch neu in Beziehung gesetzt.

Sprecher:

Zentral im Vordergrund des Werkes „Every Tongue Shall Confess“ erkennt man das teilweise übermalte Bild der britischen Königin Elizabeth II. an ihrem Krönungstag, dem 2. Juni 1953. Ausstaffiert mit den königlichen Machtinsignien und einem mit den Wahrzeichen der Commonwealth-Staaten bestickten Kleid. Am oberen linken Bildrand reihen sich wiederum drei Reproduktionen von »Africa’s Last King« Haile Selassie auf dem Cover des JET Magazine. Haile Selassie, der zwei Jahre nach Königin Elizabeth II. am 11. November 1955 in Addis Abeba zum äthiopischen Kaiser gekrönt wurde, trägt hier seine Militäruniform. Auf der mittigen Abbildung ist sein Gesicht durchgestrichen. 

Die Persona Haile Selassie fordert die klassischen Kriterien für Helden und Heldinnen der Geschichte heraus: als erster Staatsgast in der jungen Bundesrepublik, engagierter Förderer des Panafrikanismus und Mitbegründer der afrikanischen Union, erfolgreicher Verteidiger Äthiopiens gegen den italienischen Kolonialismus, als beliebtes Motiv in internationalen Boulevardzeitungen, Messias der Rastafari-Bewegung und gestürzter Herrscher eines Landes in Hungersnot.

Sprecherin:

Wer entscheidet also darüber, ob eine Person in den Heldenstatus aufgenommen und welche Geschichte über sie erzählt wird? Zwischen den einzelnen Bildelementen von „Every Tongue Shall Confess“ eröffnet sich eine Spannung schon durch die Legende, dass die Königin Elizabeth II. bei einem gemeinsamen Treffen den Kaiser Haile Selassie mit einer Verbeugung begrüßt hat und das Ungleichgewicht der Machtverhältnisse zwischen dem sogenannten globalen Norden und Süden für einen Moment irritierte. 

Sprecher:

Diese Begegnung auf der Bildfläche ist angereichert mit Sternennebeln einer Galaxie, dem Polarforscher Matthew Henson mit Hundeschlitten im ewigen Eis und dem Reggae-Musiker Frankie Paul. Über allem liegen eine Fibonacci-Folge natürlicher Zahlen, die eine Art natürliches Wachstumsmuster ausdrückt sowie eine technische Zeichnung mit Maßvorgaben für einen Basketballkorb. Ein Basketball der NBA scheint wiederum in der Galaxie zu schweben. 

Sprecherin:

Das Tafelbild wird hier zum Spielfeld. Doch was sind die Regeln des Spiels? Wir als Betrachtende sind aufgefordert, zwischen den Objekten, Personen und Szenen nach Erzählungen und Beziehungen zu suchen. Dabei eröffnet sich ein breites Assoziationsfeld über Zugänglichkeit von Wissen, Ordnungssysteme und transhistorische Verbindungslinien.