ProgrammPlus: (Un)Sichtbarkeiten – Zu Chancen und Herausforderungen einer queer-weiblichen Kunstgeschichte? Vortrag von Dr. Lisa Hecht

Bereits seit mehreren Jahrzehnten bemühen sich viele Forscher*innen um eine Revision des kunsthistorischen Kanons. Diese Zusammenstellung von vermeintlich herausragenden Werken ist bis heute dominiert durch patriarchale Machtmechanismen, männliche Blickregime und phallozentristische Vorstellungen von Schönheit und Genialität. Obwohl wir längst begriffen haben, dass auch außerhalb solcher maskulin-heteronormativ geprägter Hierarchien Kunstwerke von großer Bedeutung geschaffen wurden und werden, gilt es folgende Fragen zu stellen: Wie können Künstler*innen, Werke und soziokulturelle Phänomene, die bisher häufig unsichtbar geblieben sind, sichtbar gemacht werden? Durch welche Prozesse entstehen (kunst)historische Unsichtbarkeiten minorisierter Gruppen überhaupt?

Im Fokus wird hierbei die künstlerische Repräsentation von LGBTTIQ-Frauen in der Kunstgeschichte stehen. Anhand verschiedener Beispiele aus unterschiedlichsten Epochen wird erörtert, ob heutige Identitätsbegriffe wie z.B. ‚queer‘ überhaupt für die Kunst der Vormoderne herangezogen werden dürfen. Können wir etwa von Bildern lesbischer Erotik im 16. Jahrhundert sprechen, wenn diese scheinbar nur durch einen männlich heterosexuellen Blick geformt werden? Ändert sich diese Fragestellung mit dem Beginn der Moderne und der genaueren Kenntnis über einzelne Künstler*innen-Persönlichkeiten?

In diesem Vortrag soll eine Grundlage für die komplexe Diskussion um ambivalente Sichtbarkeiten innerhalb der Kunstgeschichte geschaffen und zugleich gezeigt werden, welche Möglichkeiten ein offener Blick für die produktive Auseinandersetzung mit Kunstwerken bedeuten kann.


Lisa Hecht studierte Anglistik und Kunstgeschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald und der Technischen Universität Dresden. Von 2015 bis 2018 promovierte sie in Köln über die Rokoko-Rezeption im Werk des englischen Illustrators Aubrey Beardsley. Seit April 2019 ist Lisa Hecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg tätig und arbeitet an ihrem Habilitationsprojekt zu „Ästhetiken des Nichtstuns“. Neben Publikationen zu ihren Forschungsschwerpunkten der englischen und französischen Kunstgeschichte sowie den kunsthistorischen Affect Studies, gibt Lisa Hecht gemeinsam mit Prof. Hendrik Ziegler einen jüngst erschienenen Tagungsband zum Thema „Queerness in der Kunst der Frühen Neuzeit?“ heraus.


Der Vortrag wird im Kontext der Ausstellung "Reload:Feminism" im Studio der Kunsthalle und in Kooperation mit dem Netzwerk Queere Frauen2 – Netzwerk zur Sichtbarkeit von lbttiq Frauen in Mannheim gehalten, das von der LSBTI-Beauftragung und der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Mannheim geleitet wird.

Zielgruppe: Erwachsene
Dauer: 90
Datum: 04/16/2023