
In Kubus 0 werden im Anschluss an die große Sonderausstellung "Die Neue Sachlichkeit - Ein Jahrhundertjubiläum" rund 50 Kunstwerke von Künstlern wie Max Beckmann, George Grosz, Otto Dix, Alexander Kanoldt, Georg Schrimpf u. v. m. gezeigt. Fast alle Arbeiten stammen aus der eigenen Sammlung der Kunsthalle und wurden um eine hochkarätige Leihgabe aus der Silard Isaak Collection ergänzt.
Die Neue Sachlichkeit - Eine Ausstellung der Kunsthalle Mannheim schreibt Kunstgeschichte
Die 1920er-Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, des technischen Fortschritts, aber auch der Arbeitslosigkeit und des politischen Niedergangs, der schließlich in die Diktatur führte. Eine Zeit, in der sich in der Kunst, aber auch in Architektur und Literatur neue Ausdrucksformen bildeten. Die Metropole Berlin war das schillernde Zentrum all dieser Bewegungen, doch in Mannheim wurde der stilbildende Begriff geprägt, der einer ganzen Kunstrichtung den Namen gab: 1925 organisierte der Direktor der Kunsthalle Mannheim Gustav F. Hartlaub eine Schau mit dem Titel „Die Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“.
Hartlaub wollte mit dieser Ausstellung auf die innovative Weiterentwicklung der deutschen nachexpressionistischen Kunst in der Mitte der 1920er-Jahre aufmerksam machen. Dazu hatte er 32 Künstler eingeladen, die sich einer gegenstandsbetonten, realistischen Formensprache bedienten, darunter u.a. Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz, Karl Hubbuch, Alexander Kanoldt, Rudolf Schlichter und Georg Schrimpf. Nach dem Scheitern der idealistischen Utopien in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und vor allem in Ablehnung des Pathos der Expressionisten hatte die Künstlerschaft begonnen, nach neuen "sachlicheren" Ausdrucksformen zu suchen. Den deformierenden oder abstrahierenden Tendenzen setzte man Gegenstandstreue entgegen. Wenn auch der Stilbegriff „Neue Sachlichkeit“ zum Synonym für die figurative Kunst der 1920er-Jahre wurde, war er nicht unumstritten, subsumierte er doch unterschiedliche Richtungen und Konzepte. Schon Hartlaub unterschied "einen linken und einen rechten Flügel". Auf der einen Seite standen die sozialkritischen, politisch engagierten Künstler*innen, die die Wirklichkeit der Nachkriegszeit so realitätsgetreu wie möglich darstellen wollten. Sie schilderten die hässliche alltägliche Wirklichkeit und zeigten mit radikaler Schärfe Militärs, Politiker, Spießer, Schieber und Bonzen, aber auch Huren, Kranke, Krüppel, Mörder und abgehärmte Arbeiter. Auf der anderen Seite standen Künstler*innen, die der Welt, so wie sie ist, in ihren Bildern eine andere gegenüberstellen wollten, wurzelnd im Zeitlosen, orientiert an der Kunst des Klassizismus, der Romantik und der Nazarener des 19. Jahrhunderts. Es entstanden Stillleben, menschenleere Landschaften und Stadtansichten, die gläserne Kälte ausstrahlen, monumentale, statische Figuren, die völlig auf sich selbst bezogen ein Eigenleben führen.
Die Ausstellung war zunächst nur für Mannheim geplant, wurde dann aber in einer zweiten Etappe noch in Dresden und Chemnitz gezeigt und dort von weiteren Städten u.a. Erfurt angefordert. Ganz offensichtlich hatte Hartlaub mit seiner künstlerischen Bestandsaufnahme den Nerv der Zeit getroffen. Der Begriff Neue Sachlichkeit sollte jedoch für die Kunsthalle Mannheim nicht nur hinsichtlich der Ausstellung von Bedeutung werden, sondern auch im Hinblick auf die Sammlungsgeschichte. Mit seinen Ankäufen dieser Richtung legte Hartlaub den Grundstock für einen Sammlungsschwerpunkt, der noch heute das Gesicht des Museums prägt, obwohl Verluste durch die Beschlagnahmeaktionen der Nationalsozialisten im Jahr 1937 zu beklagen sind.