Mindbombs: Der künstlerische Umgang mit dem Terror

Ein Gastbeitrag von Larissa-Diana Fuhrmann

Die Ko-Kuratorin der Ausstellung Larissa-Diana Fuhrmann über die künstlerische Aneignung politischer Gewalt und den Kampfbegriff Terrorismus in der aktuellen Sonderausstellung Mindbombs.

„Terror“, „Terrorist“ und „Terrorismus“ wurden zu Kampfbegriffen in den Medien der Gegenwart und auch Wissenschaftler*innen nutzen die Begriffe alltäglich in ihrer Auseinandersetzung mit politischer Gewalt. Die Ausstellung Mindbombs beleuchtet mit einer Reihe künstlerischer Positionen unter anderem dieses Phänomen der selektiven Kennzeichnung.  Dabei zeigt sie auch welche Gewalt sichtbar wird und welche meist aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt wird.

Die Künstler*innen, die in der Ausstellung zu sehen sind, nutzen in ihren Arbeiten Strategien, um historische Kontinuitäten und komplexe Zusammenhänge in einer globalisierten Welt sichtbar zu machen. Sie stellen sich und den Besucher*innen Fragen wie: Wer wird zum Terroristen und warum? Könnte ich Terrorist*in sein? Wer nennt wen Terrorist und mit welchem Ziel? Und fühle ich mich bei all diesen Fragen noch sicher?

Mit der Installation „Ich, Terrorist*in“ (2021) von Isabelle Konrad werden das stereotypisch verankerte Bild der/des Terrorist*in und das damit verbundene Racial Profiling beleuchtet. Die Besucher*innen sehen sich selber in einem Spiegel mit der Aufschrift „Ich könnte niemals Terrorist*in sein“. Aber ist das wirklich so? Äußerlichkeiten entscheiden, ob wir von der Mehrheitsgesellschaft als potentiell gefährlich oder harmlos wahrgenommen werden. Wo Stereotype und Schuldvermutungen unter anderem herkommen, zeigt Kader Attia in seiner raumgreifenden Installation „Die Kultur der Angst: Eine Erfindung des Bösen“ (2016). In Metallregalen angeordnet finden sich rassistische Abbildungen aus der boomenden Zeitungsindustrie des 19. Jahrhunderts die ein nachhaltiges Feindbild in Europa geschaffen haben. Gezeigt werden auf den Titelblättern gewaltvolle Darstellungen von Menschen aus den ehemaligen Kolonien in Afrika und den Amerikas. Diese Darstellungen prägen bis heute unser Selbstverständnis in Europa und die vorherrschenden Machtdynamiken der Gesellschaft. Der Comiczeichner Khalid Albaih nutzt das quadratische Format von Instagram Posts als virtuelle Leinwand für seine Arbeiten. Aktuelle Nachrichten übersetzt er in digitale Zeichnungen, die lokale und globale Geschehnisse kontextualisieren. Die von ihm ausgewählten Arbeiten (2014-2021) zeigen welche Folgen die medial inszenierte Gewalt des sogenannten Islamischen Staates für Muslim*innen weltweit hat und weist auf die prekären Zukunftsaussichten syrischer Kinder zu Zeiten des Bürgerkriegs hin. Hiba Ansaris Installation „Fegefeuer“ (2021) stellt die Verarbeitung ihrer persönlichen Gewalterfahrung in Syrien während des Bürgerkriegs dar, sowie ihre Konfrontation mit systemischem Rassismus in Deutschland. Aufgebaut wurde sie von der Künstlerin selbst in einer Performance, in der sie scharfe Klingeln vor ihrem Gesicht immer wieder auf und ab bewegt und den Zuschauer*innen die Verwundbarkeit sowie das Durchhaltevermögen eines menschlichen Körpers vor Augen führt.

Wie sicher sich die Besucher*innen nach dem Rundgang in der Ausstellung fühlen, können sie mit Hilfe der interaktiven zweiteiligen Installation von Ariel Reichmann mitteilen. Sie fragt „Am I safe?“ [Bin ich sicher?] (2020) und bietet lediglich die Antwortmöglichkeiten „yes“ [ja] und „no“ [nein]. Die Frage ist so komplex wie sie elementar ist. Im Park gegenüber der Kunsthalle sieht man die Neonschrift „I am (not) safe“ aufleuchten, die das Stimmungsbild der Menschen in der Ausstellung widerspiegelt. Damit ist Mindbombs eine Ausstellung, die nicht nur 200 Jahre künstlerischen Umgang mit politischer Gewalt zeigt, sondern uns ganz tief hineinhorchen lässt in uns selbst.

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